„That’s how the light gets in“ im FITZ: Kommt die Erleuchtung durch sanfte Düfte, zarte Bewegungen, gar durch Nonnen in einem Zen-Garten? Unsere Rezensentin Angela Reinhardt vermutet die Antworten in schwarzen Würfeln, wird aber nicht immer fündig.
Kleine schwarze Würfel von unterschiedlicher Höhe sind auf der Bühne verteilt, fast unmerklich gleiten Dinge aus dem Bühnenhintergrund auf uns zu – zwei hölzerne Objekte an Stielen, ein sanft-olfaktorisch dampfendes Behältnis. An einem der Würfel öffnet sich der Deckel und kommentiert schriftlich: „Cool“, ein anderer enthüllt eine riesige Kuhglocke. Steckt in jedem Würfel eine Erinnerung? Eine Lebenskrise, ein Riss in der Biografie der zwei Frauen in schwarzen Kutten?
Der Titel der Performance im Stuttgarter FITZ ist ein Zitat aus Leonard Cohens Song „Anthem“, der von der Hoffnung in dunklen Zeiten erzählt; vom Licht, das durch die Risse im System eindringt, das aus der Unvollkommenheit entsteht: „Ring the bells that still can ring, forget your perfect offering. There is a crack in everything, that’s how the light gets in“. Anja Füsti und Claudia Senoner, Percussionistin die eine und klassische Tänzerin die andere bei Anbeginn ihrer darstellerischen Laufbahn, gehen barfuß durch ihr asketisches, manchmal vor sich hin meditierendes Stück.
Verschiedene Titel, verschiedene Geschichten
Füsti erzählt von Flusswasser in den Haaren, Senoner drapiert Orangen auf ihrem Körper, die immer wieder herunterfallen. Ein Mobile aus weißen Papierstreifen wird an Stäben auf einem Würfel installiert und später mit Fächern in sanften Hauch versetzt. Manchmal kämpfen sie mit Bewegungen gegen Schatten an, robben mit dem Kopf auf dem Boden voneinander weg. Sie sprechen Sätze, die ganz offensichtlich aus verschiedenen Leben, verschiedenen Geschichten stammen. Sie schreiben auf die Würfel und die Wände, ziehen kaukasische Kreidekreise um sich selbst herum. Und immer wieder erleuchten die geöffneten Würfel ihre darüber gebeugten Gesichter. Immer wieder scheint das Licht durch die Risse in ihren Leben, erhellt einen Status quo, stellt Fragen oder weist den Weg.
Für das Publikum ist die intensivste Mitarbeit das Suchen von Bezügen.

Wer sind die beiden einsamen Frauen? Die letzten Nonnen eines Zen-Klosters, die auf den Tod warten? Immer stärker wabert eine Beckett’sche Verlorenheit durch die Kleinplastik-Installation. Irgendwann offeriert ein Würfel eine Teeschale, aus der sie sich abwechselnd das Warten schöntrinken. Dann schlagen sie plötzlich mit Fliegenklatschen aufeinander ein, Füsti bombardiert die Kollegin, die hinten Handstand macht, mit Orangen. Woher die plötzliche Aggression? Und gegen wen?
Die Rhythmen der Erinnerung
Wenn das elektronische Maschinenrauschen verstummt, das als nervöses Hintergrundgeräusch den Anfang begleitete, klingen leise Glöckchen in die Stille. Später trommelt Füsti expressive Rhythmen auf die Wände und lässt die zwei Rätschen in synkopiertem Timing miteinander beraten. Sie verarbeitet ihre Erinnerungen in den Rhythmen von Holzinstrumenten, während Claudia Senoner mit ihrem Schattenbild tanzt. Das ist fein klassisch, mit schönen Armen und gestreckten Füßen, tief in der Erinnerung versunken.
Die angekündigte Publikumsbeteiligung besteht darin, dass zehn vorab per Bildschirmansprache ausgesuchte Zuschauer in der ersten Reihe an Fäden ziehen und die Objekte bewegen. Das geschieht nicht etwa in spontaner Interaktion mit den Performerinnen, sie bekommen vorher eine Einweisung. Unsere weit intensivere Mitarbeit liegt im Suchen von Bezügen. Vielleicht bleiben manche von ihnen doch zu privat, zu vage. Vielleicht lenkt das Stück die Assoziationen doch in zu viele Richtungen, um Antworten für alle in den schwarzen Boxen zu finden.
Fotos: Gordon Below
Schnellentschlossene Menschen können sich am Sonntagnachmittag (23.11.) die einzige weitere Aufführung ansehen, siehe www.fitz-stuttgart.de.


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