Der Perkussionist Martin Grubinger (Foto: SWR / Simon Pauly)
Neues Schlagzeugkonzert versus Ballettklassiker im Konzert des SWR-Symphonieorchesters – für Jürgen Hartmann ist der Gewinner klar. Das lag aber nicht zuletzt an einem fabelhaften Solisten.
Während in Wirtschaft und Politik die Globalisierung nicht mehr das Maß aller Dinge ist, profitiert der Musikbetrieb in vielfacher und vielfältiger Weise von ihr. Mag man aus ökologischer Sicht über das eine oder andere – über den Ozean jettende Stars, Operngesamtgastspiele in Japan – die Nase rümpfen, darf man sich doch freuen am globalen Flair des Instrumentariums, das Martin Grubinger im Konzert des SWR-Symphonieorchesters in der Stuttgarter Liederhalle spielte: Taiko-Trommeln aus Japan, Txalaparta aus dem Baskenland, eine Marschtrommel, die es fast überall gibt und, dem Salzburger Multiperkussionisten am nächsten, traditionelle Wiener Kesselpauken.
Das eigens für Grubinger komponierte und, das darf man annehmen, in vielen Details von ihm mitkomponierte Konzert für Schlagzeug und Orchester des isländischen Komponisten Daniel Bjarnason stellt den Solisten vor enorme Herausforderungen. Es erhielt nach der Fertigstellung von Grubinger selbst den Beinamen „Inferno“, weil – so wird die Legende gestrickt – es höllisch schwer sei. Das ist sicher wahr, obwohl man die körperliche wie mentale Anstrengung dem beinahe unfassbar virtuosen Musiker kaum je anmerkt; Grubinger lächelt vor sich hin und dem Orchester zu, und nach dem fulminanten Auftritt bedankt er sich artig beim Publikum „für den tollen Applaus“.
Aufschlussreich ist die Bemerkung des Komponisten, dass der Schlagzeuger singe und tanze, „während die ganze Welt um ihn herum zusammenbricht“. Er sei „allein in der Welt und merkt, dass er wirklich in der Hölle ist“, sagt Bjarnason. Tatsächlich hört man im Orchester keinen Hexensabbat à la Berlioz, eher hat der Isländer breitflächig komponiert. Schwere Klänge lasten auf dem Solisten, der mal tobend gegen sie ankämpft, mal beinahe poetisch mit ihnen dialogisiert. Allerdings verblasst das von Dima Slobodeniouk äußerst präzise, dabei angenehm zurückhaltend geleitete Orchester fast zwangsläufig neben und hinter Martin Grubinger, zumal im von Tabea Dupree sehr gut moderierten Live-Stream, dessen nicht immer perfekte Kameraführung meist auf das auch optisch attraktive Schlagzeug fokussierte.
Die Begeisterung im ausverkauften Beethovensaal darf man vorrangig dem Solisten zurechnen, der seine Karriere in diesem Jahr aus freien Stücken beenden wird. Es zeigt sich gerade bei Martin Grubingers Auftritten aber auch, dass der artistische Mehrwert des vielgestaltigen und virtuos bedienten Schlagzeugs es dem Publikum leichter macht, ein herausforderndes Werk der Gegenwart zu goutieren. Dagegen hat es ein Fast-Klassiker wie Igor Strawinskys „Feuervogel“ – nach der Pause in voller Pracht, also nicht nur als Suite dargeboten – überraschend schwer. Herausragend vom Orchester und seinen exquisiten Solisten musiziert, von Slobodeniouk umsichtig und motivierend geleitet und ganz sicher ein Meilenstein der Musikgeschichte im frühen 20. Jahrhundert, und dennoch: Dieses Konzert ging 1:0 für die Gegenwart aus.
Martin Grubinger ist in seiner letzten aktiven Spielzeit „Artist in Residence“ beim SWR-Symphonieorchester und wird in den nächsten Monaten noch weitere Konzerte im Sendegebiet geben. Am 17. Februar steht in Stuttgart das Schlagzeugkonzert „The Tears of Nature“ von Tan Dun auf dem Programm.
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