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Kammerchor figure humaine mit kühl beglückender Schönheit

Lesezeit: 2 Minuten

Der in Stuttgart verwurzelte Kammerchor figure humaine hat in der Martinskirche Möhringen eine Werkschau des französischen Komponisten Philippe Mazé aufgenommen. Jürgen Hartmann hat sich die soeben veröffentlichte CD angehört.

Stattlich ist die Liste von kirchenmusikalischen Werken, die Philippe Mazé komponiert hat – allein zwanzig Messen umfasst sein Œuvre, dazu hundert Motetten und vieles mehr. Der 1954 geborene Pariser ist als Dirigent und Professor für Chorleitung auch ein umfassend erfahrener Praktiker. Und schon liegt dem deutschen Akademiker die Frage auf der Zunge, ob das von Nachteil sein könnte – denn nur allzu schnell (und allzu gern) tut man hierzulande als Gebrauchsmusik ab, was den Ansprüchen einer Avantgarde nicht genügt.

Aber wie es der Zufall will, hatte der Rezensent die soeben erschienene Mazé-CD des Kammerchors figure humaine einfach so aufgelegt, ohne sich zuvor genauer über den Komponisten zu informieren – und fand, was aus den Lautsprechern tönte, rundum zeitgemäß. Denn in ihrem zurückhaltenden, nur ganz selten aufbrausenden Gestus, in ihrem Suchen, Kreisen, Tasten ist Mazés Musik ein ganz überraschender Ausdruck unserer Zeit: Wir sind es, die tasten, kreisen, suchen – weil wir nichts mehr wirklich wissen. So sind die hier zusammengestellten Werke aus drei Jahrzehnten beunruhigend und tröstlich zugleich, was keine geringe Leistung ist.

Anlässlich des 70. Geburtstags des Komponisten hat der vor bald zehn Jahren von Denis Rouger gegründete Kammerchor figure humaine in der Möhringer Martinskirche diese Auswahl aus Mazés Kirchenmusik aufgenommen – vom 1996 komponierten „Ave verum“ aus der Missa dolce bis zum kunstvoll achtstimmig gesetzten Psalm 8 von 2023. Die meisten Stücke sind für Chor a cappella geschrieben, gelegentlich tritt eine Solostimme hinzu, an zwei Werken wirkt die Organistin Hyelin Lee mit, und sie steuert darüber hinaus zwei Solostücke bei.

Philippe Mazé hat in diesem Ensemble einen starken Fürsprecher: Lupenrein wird gesungen, niemals wird übertrieben, und so entsteht eine kühl beglückende Klangschönheit, von der man gar nicht genug bekommen kann. Was viele Menschen in der Kirche nicht mehr finden, ist in solcher Kirchenmusik gut aufgehoben.

Foto: Nicolle Buttler (NB-Fotografie). Die CD „Philippe Mazé: Werke für Chor“ ist bei Coviello Classics erschienen.

Unter dem Titel „Die Zeit ist gekommen“ gibt figure humaine in den nächsten Wochen in Biberach (5. Juli), Stuttgart-Möhringen (6.) und Oberelchingen (25.) Konzerte mit Musik von Philippe Mazé, kombiniert mit Werken von Wilhelm Berger und Robert Schumann. Genauere Infos unter www.figurehumaine.com.


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