Die Flötistin Tatjana Ruhland und der Organist Christian Schmitt (Foto: Alberto Venzago)
Die Sängerin Christa Ludwig meinte, man könne im Musikbetrieb kein Paar sein; ihre Kollegin Joan Sutherland hingegen bevorzugte ihren Mann am Dirigentenpult. Jürgen Hartmann hat das Stuttgarter Musikpaar Tatjana Ruhland und Christian Schmitt befragt.
Jürgen Hartmann: Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr euch durch die Musik kennengelernt habt?
Tatjana Ruhland: Du meinst, ganz nach Klischee? Die meisten Partner finden sich am Arbeitsplatz? Christian Schmitt: Es war tatsächlich so. 2006 haben wir uns während einer Tournee mit dem RSO Stuttgart kennengelernt, ich war als Gastcembalist dabei. Im Bus haben wir unter anderem über Turnschuhe geplaudert. Aber erst zwei Jahre später hat es gefunkt, als wir gemeinsam Konzerte gespielt haben.
JH: Ihr seid beide beruflich gut ausgelastet. Wieviel Zeit bleibt fürs Private, wie lange seht ihr euch manchmal nicht persönlich?
CS: Manchmal sehen wir uns zehn Tage oder zwei Wochen nicht. Oft planen wir ein Quartal oder sogar ein halbes Jahr im Voraus, beide mit Kalender in der Hand, und wir reservieren Zeiten, die wir zusammen verbringen. Hin und wieder kommt aber auch etwas dazwischen. TR: Das Organisieren gehört irgendwie schon zu unserer Persönlichkeit. Bei Kolleginnen und Kollegen, die Kinder haben, bewundere ich allerdings sehr, dass sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommen.
JH: Eine Karriere als Musiker:in hat unvermeidlich auch Elemente von Konkurrenz und Kritik. Wie wirkt sich das bei euch aus?
CS: Als wir uns kennenlernten, war ich nur Aushilfe im Orchester und Tatjana war Solo-Flötistin. TR: Aber ich spiele nur eine Pfeife, du hast Tausende zur Verfügung. CS: Mag sein, aber ich musste damals immer von Monat zu Monat leben und versuchen, möglichst alles zu machen! TR: Das hat sich inzwischen doch etwas verändert. CS: Ja, seit einigen Jahren ist das alles sehr ausgeglichen, weil ich bei einigen Partnern regelmäßige Engagements habe. Außerdem haben wir seit 2014 eine eigene Wohnung in Stuttgart, mit einer kleinen Orgel und einem Übezimmer, das hat sehr für Gemeinsamkeiten gesorgt. Natürlich ist es nicht immer schön, wenn man einen freien Abend haben möchte und die Partnerin ein wichtiges Konzert vorbereiten muss. TR: Wir diskutieren schon viel und analysieren auch kritisch, aber zum Glück spielen wir nicht dasselbe Instrument und haben auch verschiedene Wege der Karriere eingeschlagen.
JH: Tatjana hat eine feste Anstellung im Orchester, Christian ist 100 Prozent Freiberufler. Würdet ihr manchmal gerne tauschen?
CS: Ganz stimmt das nicht mehr, ich habe seit einigen Jahren zumindest ein kleines Festengagement bei den Bamberger Symphonikern. Und ich arbeite mit anderen Partnern sehr regelmäßig zusammen, das schafft etwas Rückhalt. Die Professur in Rotterdam ist bei mir nur freiberuflich, anders als bei Tatjana in Mannheim. TR: Ich wollte immer Flötistin im Orchester werden, weil für uns Bläser dort einfach die beste Literatur existiert. Eine feste Anstellung als Musiker ist fantastisch, und zwar nicht nur individuell für die Mitglieder eines Orchesters. Das sichert auch die Qualität unserer ganzen Musikszene. CS: Für Freiberufler war gerade die Corona-Zeit schon sehr unsicher, da war ich froh, dass ich ein paar Rücklagen hatte. Aber man ist eben auch flexibler. TR: Ich müsste schon meinen Geschäftssinn ordentlich ankurbeln, um freischaffend zu überleben. Ich darf zum Glück einige Engagements als Solistin im Nebenjob wahrnehmen. Im Orchester ist es ein Angestelltenverhältnis wie in anderen Berufen auch, ganz klar. CS: Trotzdem denke ich, dass es für uns beide gut ist, so wie es ist, wir fühlen uns in unserem Beruf ja auch schon seit zwanzig Jahren sehr wohl.
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