Das Treppenhausorchester und sein Künstlerischer Leiter Thomas Posth sind sicher: Es braucht einen klaren Blick auf das Publikum, damit möglichst viele Menschen die Klassik entdecken. Es sind aber noch viel größere Anstrengungen nötig, sagt Posth. Jürgen Hartmann hat ihn befragt.
Jürgen Hartmann: Herr Posth, wie sind Sie auf den Namen Ihres Ensembles gekommen? Mussten Sie etwa anfangs in einem Treppenhaus proben?
Thomas Posth: Wir sind damals aufgebrochen, um Neues in der Klassik auszuprobieren. Deshalb sind wir zuallererst aus dem Konzertsaal ausgezogen. Und der perfekte neue Ort war ein in Hannover legendäres Treppenhaus, die Cumberlandsche Galerie, das zum Schauspielhaus gehört. Im ideellen Sinne sind wir dem Publikum auf halbem Wege entgegengekommen. Seither spielen wir natürlich sehr selten in Treppenhäusern und sehr viel in Konzertsälen, aber in all unseren Konzerten spürt man, dass der klare Blick auf das Publikum, das gemeinsame Erleben, für uns einen ganz besonderen Stellenwert hat.
Jürgen Hartmann: Sie sind bekannt für ungewöhnliche Konzertformate. Was hat sich bisher bewährt, was funktionierte nicht so gut?
Thomas Posth: Wir haben in den letzten 15 Jahren sicherlich 20 verschiedene Formate entwickelt, von denen wir bestimmt 15 regelmäßig oder immer mal wieder produzieren. Das ist eine enorm hohe Quote, was sicher auch daran liegt, dass die Formate alle sehr aufwändig entwickelt und ständig überprüft und verbessert werden. Natürlich haben auch Formate oder einzelne Ausgaben der Formate nicht so gut funktioniert, beispielsweise weil beim einen Projekt der Text nicht gut funktioniert hat oder beim anderen die Musik dann doch nicht ideal ausgewählt war – aber das passiert zum Glück sehr selten.
Ganz gewiss sind wir ein Ort, an dem viele Menschen das erste Mal entdecken, wie wundervoll klassische Musik sein kann.
Thomas Posth

Jürgen Hartmann: Haben Sie den Eindruck, dass zu Ihren Veranstaltungen auch ein Publikum kommt, das am traditionellen Konzertformat kein Interesse hat?
Thomas Posth: Wir sind sehr froh, dass in unserem Publikum sowohl viele Menschen sind, die oft zu klassischen Konzerten gehen als auch viele, die uns erzählen, dass sie eigentlich gar keine Klassik-Fans sind. Wir denken auf jeden Fall alle mit, und alle finden etwas bei uns – und ganz gewiss sind wir ein Ort, an dem viele Menschen das erste Mal entdecken, wie wundervoll klassische Musik sein kann.
Jürgen Hartmann: Wie sehen Sie die Zukunft des Konzertbetriebs?
Thomas Posth: Wenn wir über das Publikum sprechen: Der einzig wirklich sinnvolle Weg, viel Zukunftspublikum zu schaffen, ist meiner Meinung nach, alle Kinder ein Instrument lernen und sie in Orchestern musizieren zu lassen. Oder in Chören zu singen. Was für ein lebenslanges Glück! Und vor allem sind vor allem diese Menschen dann die, die auch gern in Konzerte kommen.

Jürgen Hartmann: Und wie schätzen Sie Ihre Rolle dabei ein?
Thomas Posth: Ich denke schon, dass Ensembles wie wir, die neue Wege gehen, auch helfen, aber im ganz großen Stil müssen da weite Teile der Bevölkerung schon ganz früh mitgenommen werden. Ansonsten wünsche ich mir für die Zukunft ein vielfältiges Musikleben, mit sehr viel toller Tradition, aber auch viel Raum für Neues, und das nicht nur auf Neue Musik bezogen.
Jürgen Hartmann: Was erwartet uns bei Ihrem Auftritt in Backnang?
Thomas Posth: In der „Inner Journey – Mit Mozart in die Nacht“ kommt man Mozart sehr nah. Sie ist wie ein Hörspiel, man kann die Augen schließen und ist wirklich mit Mozart unterwegs. Man wird von unserer Sprecherin Alexandra Marisa Wilcke, die zum Beispiel Königin Nala im „König der Löwen“ synchronisiert hat, an die Hand genommen und erlebt Situationen mit Mozart und Zeitgenossen. Und hört viel tolle Musik während und zwischen den Szenen – natürlich auch Mozart, aber vor allem auch Françaix und Tabakowa. Der Abend endet dann rein musikalisch, in einer imaginären Reise in den Süden, mit Tschaikowskys grandiosem „Souvenir de Florence“.
Das Treppenhausorchester musiziert am 20. November um 20 Uhr im Backnanger Bürgerhaus. Weitere Infos: www.treppenhausorchester.de
Fotos: Hannah Godde und Daniel Feistenauer


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