Der Bariton Konstantin Krimmel (Foto: Maren Ulrich)
„Rittersmann oder Knapp“ nannte die Hugo-Wolf-Akademie ihr Galeriekonzert mit dem Bariton Konstantin Krimmel und Marcelo Amaral am Klavier. Die beiden Künstler präsentierten die großformatige Ballade „Der Taucher“ von Franz Schubert und eine Auswahl von Carl-Loewe-Kompositionen. Susanne Benda sprach mit Jürgen Hartmann darüber.
Jürgen Hartmann: Der Genrebegriff „Ballade“ wird heutzutage unscharf gebraucht. In der modernen Unterhaltungsmusik ist das ein langsamer, mit Dramatik und manchmal Kitsch aufgeladener Popsong. Waren die im Galeriekonzert der Hugo-Wolf-Akademie dargebrachten Balladen also hoffnungslos von gestern?
Susanne Benda: Nein, im Gegenteil. Die erste Konzerthälfte war fast ausschließlich einer einzigen Ballade gewidmet, Schillers „Taucher“ in der Vertonung von Schubert, eine halbe Stunde lang. Und der Eindruck war umwerfend! Dieses Stück ist geradezu filmisch geschnitten, es gibt echte ‚Cliffhanger‘, die Charaktere haben so starke Konturen, dass man sich fast in einem spannenden Hördrama wähnte. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Schubert im Hinblick auf seine erfolglosen Opern eben nicht als Dramatiker gilt. Hier aber war er ganz auf der Höhe. Mit allen Mitteln musikalischer Gestaltung wird ein echtes Drama erzählt.
Jürgen Hartmann: In hübscher Reibung zum Werktitel beschreibt die Hugo-Wolf-Akademie Schuberts „Taucher“ nach einer Dichtung von Schiller als „Gipfelbesteigung“ für die Interpreten. Haben Konstantin Krimmel und Marcelo Amaral den Gipfel der Liedkunst in dieser halbstündigen Ballade erreicht?
Susanne Benda: Konstantin Krimmel singt mit größter Klarheit, er fasst das Ganze als Abfolge von Szenen, er ist nicht nur Sänger, er ist ein Akteur. Und das nicht nur bei Schubert. Im zweiten Teil gab es Werke von Carl Loewe, dem Balladenmeister des 19. Jahrhunderts. Seine Kompositionen sind immer wieder ein Erlebnis, weil er sehr bildhafte Musik schreibt, auch das Klavier geradezu Bühnenbilder gestalten lässt. Da hört man Vogelgesänge ebenso wie etwa Gefühlskurven von manisch-depressiven Dimensionen. Hier war der Pianist Marcelo Amaral ein ebenbürtiger, autonomer Partner des Sängers. Am stärksten ist mir Loewes Ballade „Herr Oluf“ in Erinnerung, die gleichsam eine auskomponierte Herzrhythmusstörung enthält und darauf die Stille des Todes folgen lässt – das haben Krimmel und Amaral ganz toll gestaltet, sehr plastisch.
Jürgen Hartmann: Das Genre der Ballade ist also nicht so gestrig, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte.
Susanne Benda: Nein, ist es nicht. Das merkte man auch dem sehr wachen, hoch begeisterten Publikum im gut gefüllten Saal an. So ein Drama wie „Der Taucher“ könnte ohnehin auch Hörerinnen und Hörer begeistern, die mit dem Genre des Kunstlieds nicht vertraut sind. Aber die Liedkunst besetzt eben nicht die allergrößte Nische im Konzertbetrieb, und in ihr wiederum haben bekanntere Werke gegenüber den Balladen einen Startvorteil.
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