Foto: Victor S. Brigola
In unserer Sommerserie verraten die Kesseltöne-Autoren etwas aus ihrem Leben.
Eigentlich neige ich nicht zum Großspurigen. Aber mein eigentlicher Erstkontakt zur klassischen Musik, zugleich der Startschuss meiner Liebe zum Musiktheater, war ein ziemlich dicker Happen. Alles begann an einem Sommerabend, meine Eltern waren ausgegangen und ich hatte den einzigen Fernseher für mich. Ob es ein stiller Protest gegen das ansonsten übliche Programm war, das mich ausgerechnet die längste aller Opern, Richard Wagners „Parsifal“ in einer Inszenierung der Bayreuther Festspiele, einschalten ließ?
Ich kam nicht los davon, fünf Stunden vergingen wie im Fluge, und ich kann noch heute die Erinnerung an den klagenden Bernd Weikl als Amfortas und die lockende Eva Randová als Kundry aktivieren. Von „wehvollem Erbe“ war die Rede, von „Welthellsichtigkeit“ und vom „heilig hehrsten Wunder“. Was wusste ich schon? Gar nichts wusste ich als Junge vom Dorf, eher brav als aufmuckend, irgendwie an der großen Welt interessiert, aber furchtbar ahnungslos.
Und da war sie plötzlich, die große Welt. Mir wurde klar, dass es noch etwas anderes gab als den Alltag, dass da mehr war als Schule und „Waltons“. Klar, ich war eine Leseratte, hatte sogar schon Wallenstein höchstselbst im Deutschunterricht, bei der Lektüre mit verteilten Rollen gelesen. Einen Begriff von Hochkultur hatte ich wohl, aber erst die schlagende Verbindung von Text, Szene und Musik weckte in mir den Wunsch nach mehr.
Ein Theater war mir damals praktisch nicht zugänglich. Ich kann also ehrlich behaupten, dass ich von Hochkultur im Fernsehen profitiert habe. Oper auf der Mattscheibe gewöhnte ich mir später ab, als ich endlich ein Auto hatte und sie live erleben konnte, aber „Parsifal“ gehört noch heute zu meinen Favoriten. „Erlösung dem Erlöser“ lautet dessen rätselhafter Schlusssatz. Auch wenn sie später in meinen beruflichen Alltag einging und oft mehr Arbeit als Vergnügen war: Mich hat die Oper von der Tristesse der Jugend auf dem Dorfe erlöst.
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