Das Ensemble Garage auf der Bühne, Foto: Dirk Rose
Beim Eclat Festival Neue Musik Stuttgart haben der Komponist Genoël von Lilienstern und das Ensemble Garage mit künstlicher Intelligenz gespielt. Susanne Benda war dabei.
„Posaune, spiele und halte ein großes E!“ Im Stuttgarter Theaterhaus sitzen die Musiker des Kölner Ensembles Garage in Laborkitteln auf der Bühne, jeder in einem eigenen, von Laserstrahlen abgegrenzten Raum. Nach dem Befehl aus dem Off greift der Posaunist zu seinem Instrument und spielt, was er spielen soll: einen lang gehaltenen Ton. Prompt kommt aus der Lautsprecherbox neben ihm als Echo eine exakte Reproduktion. Die stellt in diesem Fall allerdings nicht ein live-elektronisch versierter Techniker her, sondern eine Software im Computer, welche die Daten des Live-Musizierens aufnimmt und das Ergebnis ihrer Rechnungen in den Raum zurückwirft. Warum das Experimentalstück des Komponisten Genoël von Lilienstern, das beim Stuttgarter Neue-Musik-Festival Eclat seine Uraufführung erlebte, den Titel „Unsupervised Sounds“, „Unbeaufsichtigte Klänge“, trägt, hört das Publikum erst später. Die künstliche Intelligenz (KI) ist nämlich mit manchem schlicht überfordert. Dann reagiert sie unsauber. Und es gibt Fehler: bei den Musikern selbst, aber auch bei der Verarbeitung der Daten.
Sehr leise Töne, Mischklänge, komplex gegeneinander geschaltete Rhythmen, Änderungen der Klangfarben, überhaupt Unregelmäßiges, Abweichungen von der Norm: Mit all diesen musikalischen Parametern kann die verwendete KI (noch) nicht wirklich umgehen. Da reduziert sich ihr Umgang mit den live produzierten Läufen, Skalen und Akkorden auf Rauschen, Sprünge, Loops. Genoël von Lilienstern nimmt das mit Humor. Ja, tatsächlich: Neue Musik ist hier mal unterhaltsam und manchmal richtig lustig. Und sie steht zur dezenten Manipulation – nicht zuletzt die Worte und Zeichen, mit denen der Komponist im Bühnenhintergrund immer wieder die KI-Klänge aus den Boxen ergänzt, zeigen, dass manches an diesem wilden Experiment auch ein ganz klein bisschen gesteuert ist.
Am seltsamsten und am schönsten sind die Momente, in denen die Musiker auf das reagieren, das die Software aus ihrem Live-Spiel errechnet hat. Dann ergibt sich eine oft hinterfotzige Art von klingender Selbstreflektion. Manchmal, wie etwa bei den kreisenden Möwenklängen von der Viola, aus dem Computer und schließlich vom ganzen Ensemble, auch eine eigene Art von Poesie. Ein Spiel. Und eben dieses Spielerische ist es, was diese KI-Show so besonders und bezaubernd macht. In „Unsupervised Sounds“ geht es nicht um Chatbots für Klänge. Sondern um ein Spiel mit Möglichkeiten. Und, subversiv, um eine argumentatorische Unterfütterung der These, dass künstliche Intelligenz menschliche Kreativität nicht ersetzen, sondern allerhöchstens künstlerische Perspektiven erweitern kann.
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