Das Stuttgarter Kammerorchester im Stadtpalais, Foto: Reiner Pfisterer
Das Stuttgarter Kammerorchester ist in dieser Saison mit seiner Konzertreihe “Sternstunden” aus dem klassischen Konzertsaal aus- und ins Stuttgarter Stadtpalais eingezogen. Im Gespräch mit Jürgen Hartmann schildert Petra Heinze ihre Eindrücke vom Konzert. Dabei geht es diesmal nicht um eine Bewertung der musikalischen Aufführung, sondern um die Perspektive des Publikums.
Jürgen Hartmann: Liebe Petra, Du hast gestern eine Veranstaltung des Stuttgarter Kammerorchesters mit dem Titel „Local Heroes 2.0“ besucht. Was sollte sich die interessierte Musikfreundin darunter vorstellen?
Petra Heinze: Das Stuttgarter Kammerorchester startete in der vergangenen Spielzeit in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg die neue Konzertreihe “Local Heroes”. Dort standen Ausgrabungen aus dem Ländle im Mittelpunkt. Damals noch als Teil der Abo-Konzerte, aber schon im Theaterhaus, also nicht mehr im klassischen Konzertsaal-Ambiente. Die neu hinzugefügte Zahl 2.0 weist vermutlich darauf hin, dass diesmal das Digitale eine Rolle spielt.
Jürgen Hartmann: Und welche Rolle spielte das Digitale in diesem besonderen Programm?
Petra Heinze: Johann Pachelbels berühmte Kanon und Gigue D-Dur waren der Ankerpunkt. Dazu kamen Ausgrabungen des Barockkomponisten Giuseppe Antonio Brescianello und Werke des kanadisch-palästinensischen Künstlers John Kameel Farah für Orchester, Elektronik und Cembalo. Die sind teils auskomponiert, teils improvisiert und wurden von ihm am Cembalo und Computer gespielt. Das SKO hatte den Barockspezialisten Hiro Kurosaki engagiert. Der leitete von der Geige aus und reihte alle Stücke attacca aneinander. Farah improvisierte auch in den Barockstücken. So entstand ein fließender Klangteppich und wir lauschten quasi einem einzigen einstündigen Werk.
Jürgen Hartmann: Welchen Eindruck hattest Du vom Publikum? Zieht ein solches Format Menschen an, die sich für die traditionellen Konzerte nicht interessieren?
Petra Heinze: Die Damen neben mir waren bisher in der Abo-Konzertreihe des SKO gewesen und aus Neugier auf das ungewöhnliche Format gekommen. Sie freuten sich, weil sie in den barocken Strukturen und der von Minimal Music und Techno beeinflussten Klangwelt Farahs Übereinstimmungen und damit das Moderne der Barockmusik entdeckt hatten. Andere gaben sich mit geschlossenen Augen dem meditativen Charakter der Musik hin. Auch weitere Stammgäste aus den Abo-Konzerten habe ich erkannt, aber auch welche, die man sonst eher beim Eclat Festival für Neue Musik trifft. Vom fünf-jährigen Kleinkind, das auf dem Schoß der Mutter saß, bis zu hoch betagten Menschen waren alle Altersgruppen vertreten. Auffallend war die Anwesenheit junger Erwachsener. Das hing vielleicht damit zusammen, dass ein Filmteam der Hochschule der Medien das Konzert dokumentierte.
Jürgen Hartmann: Fand das Konzert auch in ungewöhnlichem Ambiente statt?
Petra Heinze: Das Stadtpalais ist eigentlich ein Stadtmuseum, aber eines, das angesagt ist. Es beschäftigt sich viel mit Jugendkulturen und richtet entsprechende Konzerte aus. Das SKO-Konzert fand dort im offenen, zweistöckigen Foyer statt. Das SKO und Farah in der Mitte, das Publikum hautnah darum herum. Am Eingang begrüßte eine freundliche junge Dame und gab jedem einen Getränkechip. Damit konnten wir uns an der Bar im Foyer versorgen und durften während des Konzertes weiter trinken. Nach dem Konzert zog die Bar in den kleineren Vortragssaal um und lud dort zum Austausch mit musikalischer Untermalung ein.
Das nächste Konzert der „Sternstunden“ findet am 11. Januar 2020 um 20 Uhr im Stadtpalais statt. Weiteres unter www.stuttgarter-kammerorchester.com
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