Der Dirigent Frank Strobel (Foto: Kai Bienert)
Der Dirigent Frank Strobel hat sich als Spezialist für die Verbindung von Film und Musik einen Namen gemacht. 2010 brachte er die endgültig restaurierte Fassung des legendären Films „Metropolis“ zum Klingen. Der Chefdirigent des WDR-Funkhausorchesters und Künstlerische Leiter der Europäischen Filmphilharmonie dirigiert am 19. November bei den Stuttgarter Philharmonikern Eduard Künnekes Filmmusik zu „Das Weib des Pharao“, einem 1922 gedrehten Stummfilm von Ernst Lubitsch. Jürgen Hartmann sprach mit ihm.
Jürgen Hartmann: Wenn es um Filmaufführungen mit Live-Orchester geht, sind Sie heutzutage der Dirigent der Wahl. Wie kam es ursprünglich dazu?
Frank Strobel: Ich bin praktisch in einem Kino aufgewachsen und habe beim Vorführen zahllose Soundtracks gehört. Damals hörte man so etwas im Konzertsaal nie. Ich habe mich gefragt: Was ist das für ein Repertoire, wer sind die Komponisten? So begann eine große Entdeckungsreise, schon im Studium arbeitete ich im Deutschen Filmmuseum, dort gab es riesige Konvolute, Klavierauszüge, Partituren, ich saß an der Quelle! In der Filmmusik ist vieles nicht überliefert, man muss forschen und rekonstruieren. In den 1980er-Jahren begannen sich die Institutionen dafür zu interessieren, ein Meilenstein war das Stummfilmfestival in der Alten Oper Frankfurt 1988.
Jürgen Hartmann: Mussten und müssen Sie Überzeugungsarbeit leisten, um Filmmusikprojekte zu verwirklichen?
Frank Strobel: Das muss man immer, aber heutzutage nicht mehr so sehr. Frankfurt war ein glücklicher Moment, und zu danken ist das auch dem legendären Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, der ein Filmmuseum erst ermöglicht hat. Es war ein Aufbruch damals, man konnte große Projekte realisieren. Darauf ließ sich dann vieles aufbauen, was heute nicht mehr so ungewöhnlich ist.
Jürgen Hartmann: Was sind die besonderen Herausforderungen bei Konzertprojekten mit Filmmusik?
Frank Strobel: Schon im Vorfeld, wenn ein Projekt erarbeitet wird, gibt es viele Herausforderungen. Oft muss der Film selbst erst restauriert werden, bei der Musik ist die Instrumentation vielleicht nicht vollständig, man muss Film und Musik einander angleichen. Mit „Metropolis“ waren wir jahrzehntelang beschäftigt, noch 2008 tauchte überraschend verschollen geglaubtes Material in Buenos Aires auf und erst 2010 waren die Arbeiten an diesem Film und seiner Musik abgeschlossen. Für das Orchester sind diese Partituren oft anspruchsvoll, eine besondere Herausforderung an den Dirigenten ist natürlich die Synchronität, an der manchmal spontan gearbeitet werden muss: Mal eine Fermate zusätzlich, mal ein Ritardando, mal ein Accelerando, wenn es im Moment doch nicht ganz passt.
Jürgen Hartmann: Ist die Erfordernis, die Musik im Live-Konzert vor allem synchron zum laufenden Film zu halten, nicht eine arge Einschränkung für den Dirigenten?
Frank Strobel: Nun ja, der Film ist unerbittlich, aber er ist kein Korsett! Ein Film ist eigentlich ein zuverlässiger Partner, gerade wenn man es mit der Opernarbeit vergleicht! Wenn ich an der Rekonstruktion der jeweiligen Filmmusik mitgearbeitet habe, wie beim „Weib des Pharao“, habe ich jede Szene bestimmt 150 Mal gesehen. Wenn nicht, schaue ich mir den Film drei bis vier Mal mit der Partitur vor mir an. Ich versuche, die Art der Musik zu erkennen: Dient sie der Illustration oder der Psychologisierung? Steht sie in direktem Zusammenhang mit Bewegungen im Bild? Der Rhythmus des Films lässt sich in die Musik ableiten, bis ins Detail. Die eigentliche Probenarbeit unterscheidet sich dann nicht so sehr von der Arbeit an einer Sinfonie, wobei es nützlich ist, wenn das Orchester zumindest einen Eindruck vom Film bekommen kann, man kann das im Konzert dann wirklich hören.
Jürgen Hartmann: Das WDR-Funkhausorchester, dessen Chefdirigent Sie sind, ist eins der wenigen verbliebenen Ensembles, die man früher „Unterhaltungsorchester“ nannte. Wie stellt sich ein solcher Klangkörper heutzutage auf?
Frank Strobel: Es ist ein Medienorchester. Was man früher Unterhaltungsmusik nannte, war eng mit Hörfunk und Fernsehen verbunden, es gab dafür eigene Sendungen. Heute ist das Repertoire viel breiter, die Zeiten haben sich verändert, wir sind an Rap, Jazz und Pop beteiligt, spielen Musik aus Filmen oder Musicals, aber auch klassische Werke oder gelegentlich beispielsweise eine frühklassische Oper. Das Funkhausorchester ist stark in die Arbeit des WDR eingebunden, macht auch Musik für Dokumentarfilme oder Hörspiele. Wir streben aufschlussreiche unterhaltende Programme an, die auch Überraschungen enthalten, und wollen damit ein breites Publikum ansprechen – oder genauer gesagt, mit unterschiedlichen Projekten unterschiedliches Publikum an uns binden.
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