Der berühmte Kuss von Gustav Klimt stehe hier für „Song of Songs“ (Foto: Wiki Commons)
Großes Kino zum Thema Liebe und Erotik erlebte Ute Harbusch im kleinen Wohnzimmertheater La Lune mit der Sängerin Evelin Tóth und erzählte Petra Heinze davon.
Petra Heinze: Liebe Ute, Dir als Premierenbesucherin des Theaters La Lune wurde eine Mono-Opera zum „Song of Songs“ versprochen, die neben klassischer auch Jazz-, Folk- und Worldmusik enthält. Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?
Ute Harbusch: So klein die Bühne und so überschaubar die Technik und Ausstattung auch waren: Es war in der Tat sehr viel, was die ungarische Sängerin Evelin Tóth uns bot. Der Abend lebte gewissermaßen von der Vielfalt, aber auch von der Intensität ihrer Darstellung und ihres Gesangs.
Petra Heinze: Was stellte sie dar und wie war ihr Gesang?
Ute Harbusch: Im Prinzip hätte es genügt, die Augen zu schließen und dem Soundtrack zu folgen. Zu sehen war ein Wohnzimmer, in dem eine Mutter mit Lockenwicklern im Haar Kinderspielzeug aufräumt. Unter ihren Händen verwandelte sich alles in Musikinstrumente, und sie selbst verwandelte sich in eine bis zur Ekstase hingebungsvoll Liebende. Sie nutzte Kinderrasseln, Bauklötzchen, Murmelbahn, Abakus und Spieldosen, Klangstäbe, Tamburin und Harmonium, Loops und Einspielungen von Klavier-, Chor- und Orchesterklängen, sogar die Absätze ihrer High Heels, um Musik zu machen. Ihre Stimme gurrte, keckerte und schnalzte, wechselte vom Opern- ins Schlagerregister, vom leisen Schlaflied zu kehligem Naturgesang. Ich fand es beeindruckend. Was mir auch gefiel: Trotz aller Leidenschaft fehlte der Darstellung nicht die Selbstironie.
Petra Heinze: Und welche Rolle spielte die angekündigte Animation dabei?
Ute Harbusch: Auf eine Leinwand im Hintergrund wurden surrealistische Filmsequenzen von Éva Magyarósi projiziert. Bunte, rätselhafte Bilder von Vogelschwärmen, Geäst, Tieren, spielenden Kindern, nackten und bekleideten Frauen öffneten die Wohnzimmerbühne in einen Phantasieraum, um den vermutlich auch die gesungenen Texte kreisten. Die Improvisationen und Eigenkompositionen waren größtenteils auf Ungarisch. Hin und wieder sang und sprach die Darstellerin einzelne Sätze und Zeilen auf Deutsch oder Englisch. Ich erkannte beziehungsweise ergoogelte im Nachhinein Spirituals, Volkslieder, ein Gedicht der ungarischen Lyrikerin Ágnes Nemes Nagy und immer wieder das Hohelied, Bartók und Schumann. Leider gab es keinen Programmzettel.
Petra Heinze: War das vielleicht ein neues, breitenwirksames und offenbar gelungenes Format?
Ute Harbusch: Das Format der Mono-Oper ist ja nicht neu. Auch allein agierende musikalische Performerinnen oder sich selbst begleitende Singer-Songwriterinnen sind keine Seltenheit. Für Evelin Tóth, die bisher immer in Ensembles aufgetreten war, war es allerdings der erste Soloabend, eine Welturaufführung, wie sie uns anschließend verriet. Selbst wenn ich nicht weiß, wie ich ihr Format nennen soll, es hatte auf jeden Fall Format. Breitenwirksam ist es wegen der Sprache nur bedingt, gelungen unbedingt. Ein poetisches Bild zum Schluss zeigte an, dass Erotik, Mutterliebe und die Liebe zur Kunst sich nicht zwangsläufig ausschließen. Das Kind, das zu Beginn der Performance nach der Mama rief, lag am Ende gestillt an ihrer Brust.
Petra Heinze: Ich halte Mono-Opern und Performances eher für Gattungen. Als neues Format erscheint mir hier der unterhaltsame Umgang mit höchst unterschiedlichen musikalischen Genres in Kombination mit Animation und Erlebnisgastronomie. Der Website entnehme ich, dass es im La Lune zum Programm immer den passenden Snack gibt…
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