Lera Auerbach ist als Pianistin und Dirigentin beim Stuttgarter Kammerorchester zu Gast. Über diese Doppelfunktion, über Mozart, Haydn und über ihre eigene Komposition „Eterniday“ sprach Jürgen Hartmann mit ihr.
Jürgen Hartmann: Was ist das Besondere daran, in einem Konzert Solistin und Dirigentin zu sein?
Lera Auerbach: Ich denke, es ermöglicht eine einheitliche Interpretation. Solange sich ein Dirigent und ich als Solist einig sind und nicht streiten, kann das aber natürlich auch gut funktionieren. Ich freue mich aber auch besonders darauf, Haydn zu dirigieren. Wir führen eine Ouvertüre und eine Sinfonie auf, und ich habe einige Variationen geschrieben, denn zu Haydns Zeiten waren seine Musiker eher wie heutige Jazzmusiker. Sie kannten sich gut und konnten improvisieren, während Orchester heutzutage normalerweise nur die Dynamik ändern oder ein kleines Ornament hinzufügen, wenn sie etwas wiederholen. Ich wollte diese Tradition der Variation zurückbringen. Das werden wir sowohl in der Ouvertüre als auch in der Sinfonie tun: Variation statt Wiederholung des Materials.
Jürgen Hartmann: Dafür haben Sie also auch neue Noten geschrieben?
Lera Auerbach: Ganz genau. Ich musste meine eigenen Partituren erstellen, damit die Musiker diese Variationen ausführen können. Es gab keine andere Möglichkeit. Das bedeutet natürlich eine Menge Arbeit, aber das ist es wert.
Jürgen Hartmann: Ihr Werk „Eterniday“ entstand doppelt, die erste Fassung ging bei einem Brand in Ihrer Wohnung verloren und Sie haben das Stück vollkommen neu geschrieben. Ungewöhnlich finde ich die Verwendung von großer Trommel und Celesta bei einem Werk, das sich auf Mozart bezieht.
Lera Auerbach: Das Werk ist sehr wie ein Traum. Und ich denke, die Celesta ist ein ziemlich magisches Instrument. Die große Trommel – ich glaube, sie ist da, weil sie dem menschlichen Herzen sehr ähnlich ist. Man hört sie fast nicht, aber man fühlt sie. Ich weiß, das ist keine sehr rationale Erklärung, eher eine intuitive. Oft ist es keine Entscheidung, die ich treffe, sondern das Werk sagt mir, was es will.
Jürgen Hartmann: Als ich Ihre Kadenz für das Mozart-Klavierkonzert KV 466 hörte, war ich ebenso überrascht wie fasziniert, denn sie entfernt sich doch sehr weit von Mozart. Was steckt dahinter?
Lera Auerbach: Es ist eine grundsätzliche Frage, wie Kadenzen angegangen werden sollten. Sie waren schon immer ein Schaufenster für Interpreten, um ihre Beziehung zur jeweiligen Musik auf eine sehr individuelle Weise auszustellen. Man könnte natürlich versuchen, den Geist der Mozart-Zeit zu treffen, aber ich halte es für sehr viel authentischer, in der Kadenz meine ganz persönliche Verbindung zu Mozart zu zeigen.
Foto: Rafael de Stella
Das Konzert findet am 6. November um 19.30 Uhr im Mozart-Saal der Stuttgarter Liederhalle statt. Darüber hinaus gibt es Gastspiele in Lüdenscheid am 5. und in Coesfeld am 18. November. Weitere Informationen zum Programm sind auf der Website des Stuttgarter Kammerorchesters zu finden.
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