Die Online-Kulturzeitung für Stuttgart und Umgebung


Die Gaechinger Cantorey musiziert in den Wagenhallen, Foto: Holger Schneider

Umfrage (1): Brauchen wir neue Konzertformate?

Die Gaechinger Cantorey musiziert in den Wagenhallen, Foto: Holger Schneider

Wieso, weshalb, warum? Brauchen wir neue Formate für die Präsentation „klassischer Musik“? Wir haben bei Kulturschaffenden einerseits und unseren Autoren andererseits nachgefragt…

Von Petra Heinze

Es waren schöne Zeiten: Orchester erklärten sich bereit, von Zeit zu Zeit anderen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihrem Musizieren zu lauschen. Und das Publikum kam. Erschreckenderweise ändern sich die Menschen und die Konzerte wurden leerer und das Haupthaar weißer. Erfreulicherweise sind auch Musiker und Intendanten Menschen und können sich ebenfalls ändern. Wenn sich Kunst und Menschen auseinanderentwickeln, hat die Kunst vielleicht Recht, aber  die Menschen haben das geringere Problem. Das bringt  gezwungenermaßen neue Formate hervor, die sich heute intensiv dem Thema Kommunikation und Teilhabe widmen. Es ist eine Demokratisierung der Kunst, die nicht gleichbedeutend mit einer Demokratisierung der Qualität sein muss. Leere Konzerte? Weg mit dem Krempel, lassen wir uns etwas einfallen!

Markus Korselt, Geschäftsführender Intendant des Stuttgarter Kammerorchesters

Ich persönlich brauche sie nicht. Ob der Konzertbetrieb sie braucht, um junges Publikum anzuziehen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manche Aktivitäten scheinen mir eher einem Bedürfnis der Veranstalter als einem Bedürfnis des Publikums zu entspringen und dem allgemeinen Trend zur Eventisierung gesellschaftlicher Ereignisse zu folgen. So oder so: Das Format „klassisches Konzert“ sah vor drei- und zweihundert Jahren anders aus als heute und wird sich auch weiter wandeln.

Ute Harbusch, Redakteurin der „Kultur“ und Autorin der Kesseltöne

Es braucht zunächst „einladende“ Räume. Konzertsäle, die in die Jahre gekommen sind und einen schlechten Service rund um Parken, Garderobe und Bewirtung bieten, werden heute, wo uns jede Ware bis vor die Haustüre getragen wird, nicht mehr akzeptiert. Was das Konzerterlebnis betrifft, scheinen heute Bedürfnisse zu existieren, die mehr verlangen als die Aufführung einer mustergültigen Interpretation. So verzeichnen wir ein hohes Interesse an Konzert-Angeboten, in welchen die musikalische Aufführung durch ein Gespräch oder eine Moderation ergänzt wird. Auch bei „BachBewegt! Tanz!“, wo Jugendliche zur Live-Musik eine Choreografie aufführen, erleben wir diesen deutlich regeren Publikumszuspruch durch Zuhörer ab 40. Wir halten es jedenfalls für notwendig, mit weiteren Konzertformaten und -angeboten zu experimentieren und dabei die Bedürfnisse der Besucher zu erspüren, deren Besuch wir uns regelmäßiger wünschen.

Katrin Zagrosek, Geschäftsführende Intendantin der Internationalen Bachakademie


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Aktuelle Beiträge

  • Balance aus Pracht und Maß
    Mit dem Kammerchor und dem Barockorchester Stuttgart hat Frieder Bernius erneut eine Messe und weitere Werke von Jan Dismas Zelenka auf CD herausgebracht. Susanne Benda ist hellauf begeistert.
  • 200 gut singende Leute als Basis
    Der Schweizer Komponist Klaus Huber wäre am 30. November 2024 einhundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass gibt es in der Bad Cannstatter „Musik am 13.“ Hubers Werk „Sonne der Gerechtigkeit“. Die Kesseltöne haben den künstlerischen Leiter Jörg-Hannes Hahn dazu befragt.
  • Das Herbsträtsel: Wer schrieb das?
    Sie waren mehr als Freunde, mehr als Vertraute, mehr als Verbündete und mehr als Liebhaber. Wenn Beziehungen ein Puzzle sind, dann war ihres von Anfang an vollständig.
  • Die Kesseltöne lesen: Die große Versuchung
    Weil zwei Konzerte abgesagt wurden, haben Ute Harbusch und Petra Heinze den jüngsten Roman des peruanischen Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa gelesen. Wäre Live-Musik ergiebiger gewesen?
  • Stehenbleiben wäre unkreativ
    In „Goldbergs Traum“ verbindet das Stuttgarter Kammerorchester Bachs Goldberg-Variationen nicht nur mit zeitgenössischen Kompositionen, sondern auch mit Künstlicher Intelligenz. Jürgen Hartmann sprach darüber mit SKO-Intendant und Initiator Markus Korselt.