„Light“ heißt das kürzlich erschienene Debüt-Album des Stuttgarter Sonus-Quintetts. Drei Bearbeitungen für fünf Holzblasinstrumente rücken die Originalwerke tatsächlich in neues Licht, findet Jürgen Hartmann – und bestaunt eine unerwartete Überraschung.
In alten Zeiten, als es Vervielfältigung von musikalischen Werken allenfalls auf Papier gab, dienten Arrangements groß besetzter Kompositionen gewissermaßen der Reklame. Ohne Bearbeitungen für die Hausmusik oder kleinformatige Konzerte wären viele Werke ziemlich unbekannt geblieben oder, wenn man es umgekehrt sehen will, wäre der Zugang zu großer Musik auf einen kleinen Kreis privilegierter Menschen beschränkt gewesen.
Und heute? Kann man praktisch jedes Werk im Irrgarten des Internets oder in offizieller Veröffentlichung hören. Wozu also noch Arrangements und Bearbeitungen? Das Stuttgarter Sonus-Quintett – bestehend aus Klarinette (Linda Gulyas), Bassklarinette (Viviana Rieke), Saxophon (Lena Iris Brendel), Oboe (Eloi Enrique Hernández) und Fagott (Annika Baum) – beantwortet diese Frage selbstbewusst. Ein neues Licht wolle man auf die Werke von Gershwin, Beethoven und Grieg werfen, die das Debüt-Album beim Label Genuin enthält, schreibt Brendel im Booklet. Zum Thema „Licht“ – oder eben „Light“ – passe auch das dreiteilige Stück „Refraction“ des 1984 geborenen US-Komponisten David Biedenbender, das das „Licht“ seiner musikalischen Quellen zwischen Mittelalter und Death Metal breche.
So weit, so gut. Als Hörer kann man im Vergleich von George Gershwins „An American in Paris“ und Ludwig van Beethovens Mondscheinsonate die Bandbreite von Bearbeitungen ablesen. Gershwin komponierte für komplettes Orchester und wurde von Raaf Hekkema für das Holzbläserquintett reduziert, Lena Iris Brendels Aufgabe bei Beethoven war hingegen, ein – wahrhaft ikonisches – Solowerk erheblich zu erweitern.
Während die Reduzierung zwar pfiffig und unterhaltsam ist, gegenüber dem Original aber doch signifikante Abstriche erfordert, ist die Erweiterung eine Offenbarung: Tritt man Beethoven wohl zu nahe, wenn man hier aufschreibt, dass die Mondscheinsonate beim Sonus-Quintett klingt, als sei sie für genau diese Besetzung geschrieben?
David Biedenbenders zehnminütiger Zyklus „Refraction“ ist ein wilder Ritt durch die Musikgeschichte. Hier wird kein Originalwerk bearbeitet, sondern konkrete Vorbilder sind gleichsam kleingehackt, erweitert und neu zusammengefügt. Das Sonus-Quintett meistert diese Herausforderung inspiriert und mit beinahe orchestraler Klangschönheit. Die Grieg-Bearbeitung (Air aus der Holberg-Suite) rundet das Album angenehm ab.
Light. Sonus Quintett, Genuin GEN 24893 (aufgenommen in der Liederkranzhalle in Stuttgart-Botnang 2022, veröffentlicht im Oktober 2024). Auch bei Apple Music und Spotify. An Silvester tritt das Quintett in der Martinskirche Sindelfingen auf. Mehr unter www.sonusquintett.de.
Foto: Ida Baumann
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