Weihnachten geht nicht ohne Weihnachtsoratorium? Doch, ausnahmsweise schon, behauptet Petra Heinze. Sie empfiehlt im Dezember ein Theaterstück über gehörlose Menschen und zwei Konzerte mit ungewöhnlicher Programmatik.
Synästhetisch: Inklusives Theaterstück in der Rampe, Premiere am 10. Dezember um 19 Uhr
Die Idee zu „Gebärden der Geschichte“ hatten die gehörlose Stephanie Mündel-Möhr und die hörende Jasmin Schädler. Beide führen auch die Regie bei diesem Stück, welches um vier gehörlose Menschen kreist. Diese haben zu verschiedenen Zeiten in Baden-Württemberg gelebt und dort schlimme Dinge wie Diskriminierung, Nationalsozialismus, Gewalt, Zwangssterilisation und Trauer erfahren.
Musikalisch begleitet werden die Figuren von einem Gebärden-Ensemble. Es besteht aus gehörlosen, schwerhörigen und hörenden Menschen, wie auch das Schauspieler:innen- und Produktionsteam der INTERAKT Initiative. Die Inszenierung möchte es ermöglichen, Musik nicht nur hörend, sondern auch sichtbar sowie körperlich und räumlich zu erfahren. Die Aufführungen finden in deutscher Gebärdensprache und deutscher Lautsprache statt und werden ab 14 Jahren empfohlen.
Adventlich: Der Südwestdeutsche Kammerchor Tübingen, 13. Dezember um 19 Uhr, Stadtkirche Bad Cannstatt und 14. Dezember um 17 Uhr, St. Michael Tübingen
Der Südwestdeutsche Kammerchor Tübingen gestaltet unter der Leitung von Judith Mohr (Bild) ein Adventskonzert mit selten zu Hörendem: Der adventliche Choral „Wachet auf“ kommt in drei verschiedenen Fassungen von Michael Praetorius (1571-1621) zur Aufführung; eine zunächst bekannt erscheinende Melodie, die dann ungewöhnliche rhythmische und melodische Wendungen nimmt. Aus England kommen das hypnotische „The Lamb“ von John Tavener (1944 -2013), das intensive „My Lord Has Come“ von Will Todd (*1970) und das mitreißende „Tomorrow shall be my dancing day“ von Philip Stopford (*1977).

Aus Irland steuert Charles V. Stanford (1852-1924) sein pompöses doppelchöriges „Magnificat“ bei, während die amerikanische Komponistin Patricia van Ness (*1951) mit „Into Winter’s Glimmering Night“ eine besondere Nacht heraufbeschwört. Zum Schluss erklingen das feierliche „Veni, veni Emmanuel“ von Zoltán Kodály (1882-1967) und das gewaltige „O Adonai“ von Pawel Lukaszewski (*1968).
Hochbegabt: Ilya Gringolts und das Stuttgarter Kammerorchester, 18. Dezember um 19:30 Uhr, Mozartsaal der Liederhalle
Mit „Überflieger“ ist das vorweihnachtliche Konzert des Stuttgarter Kammerorchesters überschrieben. Das zielt zunächst auf den Solisten und Dirigenten des Abends: Ilya Gringolts. Der 43-jährige russische Geiger ist der ehemals jüngste Gewinner des Paganini-Preises. Und auch das Programm verspricht Überflieger…

Der Violinist Ilya Gringolts gilt als Überflieger.
Mendelssohn komponierte bereits mit zwölf bis 14 Jahren zwölf Streichersinfonien. Das Stuttgarter Kammerorchester spielt seine Sinfonie Nr. 10 in h-Moll. Als genial darf auch Boris Filanovskys (*1968) Werk „Infinite Superposition“ gelten, welches sich als „work in progress“ unendlich fortschreibt. Jean-Marie Leclair soll ein außergewöhnlicher Geigenvirtuose mit perfektem und tonschönem Spiel gewesen sein. Es erklingt sein Violinkonzert op. 7 Nr. 2. Den Abschluss bildet Dvořáks Streicherserenade in E-Dur, die er in nur zwölf Tagen niederschrieb. Um 18:45 Uhr geben Ilya Gringolts und Intendant Markus Korselt (siehe Interview https://kesseltoene.de/stehenbleiben-waere-unkreativ/ ) eine Einführung.
Fotos: INTERAKT – Dulamsuren Jigjid, Judith Mohr – Martin Rottenkolber, Ilya Gringolts – Kaupo Kikkas


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