Die Online-Kulturzeitung für Stuttgart und Umgebung


Schneiders Tipps der Woche (2)

Lesezeit: 2 Minuten

Der doppelte Hund sonnt sich in unserer Aufmerksamkeit, Foto: Holger Schneider

Einer Kopfkinomusik und einem Hund namens Wanda setzt unser Autor in den folgenden Zeilen ein Denkmal.

Erschallet, Trompaunen!

Also, Trompaunen werden – andernorts bekanntlich – von Nebelheimern gespielt, was hierzulande insofern befremdlich dünken mag, als unsereine:r nie den Zamonischen Kontinent betreten haben dürfte. Nun aber wissen wir endlich auch, wie sie wirklich klingen. Zwar hat das eine mit dem andern rein gar nichts zu schaffen, dennoch fiel es mir wie Schuppen von den Ohren, als ich, bekennender Moers-Fan, jüngst eher zufällig eintauchte in das „Multiverse“ von Gadi Sassoon, eines verrückten Komponisten, der im Rahmen des abgefahrenen NESS-Projekts (Next Generation Sound Synthesis) an der schottischen Universität von Edinburgh gemeinsam mit Mathematiker:, Physiker: und IT-ler:innen daran herumtüftelte, hyperrealistische Simulationen von traditionellen Instrumenten auf einem Supercomputer zu erzeugen: kilometerlange, von Drachenfeuer geblasene Trompeten oder von nadeldünnen Alien-Fingern angeschlagene Gitarren waren Zielvorgaben an die Architektur der rechnenden Chips. Just vor einem Jahr veröffentlichte Sassoon sein „Multiverse“, ein Album mit Klängen, die er in vielen langen Nächten im Universitätslabor alchimistisch heraufbeschwor, besessen und genial wie wiederum, bei Moers bezeihungsweise Hildegunst von Mythenmetz, der Eydeet Professor Doktor Adbul Nachtigaller mit seinen sieben Gehirnen… Das ist alles verwirrend komplex, ziemlich durchgeknallt, mithin hoffentlich nicht ganz tiefernst gemeint, dabei wirklich aufregend zu hören, jedenfalls als krasse Kopfkinomusik. Wer allerdings fröhliches Nebelheimer Treiben sucht und die Trompaunen von Jericho als derzeit extrem unpassend erachtet, sollte zum Räucherkerzchenduft (Tipp: Neudorfer von Huß!) besser eine wohlvertraut vorweihnachtliche Platte (Tipp eher unnötig) auflegen. Ich habe mir das Trompaunen-Vinyl jedenfalls zur Selbstbescherung bestellt und leihe es gern aus.

Bitte akzeptieren Sie ausdrücklich, das Youtube Ihnen die verlinkten Videos anzeigt. Ihre Zustimmung ist aus Datenschutzgründen notwendig.

Datenschutzerklärung & Nutzungsbedingungen von Google/Youtube

Ihre Auswahl wird gespeichert und die Seite neu geladen.

Hündchens Nachtgesang

Am Ende doch noch eine kleine Live-Musik: Meine liebste, beste momentan ist allerdings weitgehend nichtöffentlich und unteilbar und damit allenfalls gut für einen ganz geheimen Tipp: Wanda heißt die bezaubernde Musikerin, kam mit ein paar Jahren unergründlicher Vergangenheit zu uns, kann Rhythmen mit dem Fressnapf auflegen, dass einem die Ohren schlackern, kann in sonorem Mezzo mitbellen, wenn es die illustre Cannstatter Kurpark-Community erfordert, treibt’s mitunter zur kapriziösen Soubrette, kann im Traume wohlig schnorcheln oder gluckernd japsen oder einfach nur eine ganz enorm beredte Stille auflegen, die im Konzertsaal zwar auch, niemals aber mit jenem Blick ganz besonders erlebbar wird, mit dem Dich ein Lebewesen mit solchen Augen beschenkt. Drum such in Zeiten der Stille die Blicke (ggf. mit Dioptrienausgleich des Mindestabstands) – die Töne folgen von ganz allein. Und sie rennen uns, im Gegensatz zu Wanda, nicht davon.

Eine Antwort zu „Schneiders Tipps der Woche (2)“

  1. Avatar von Holm Snyders
    Holm Snyders

    Habe soeben weitere, vollkommen irre Trompaunen-Riffs in den fernen Musikweltmeeren ausgemacht: Sunn o))): „Metta, Benevolence“ (BBC 6music: Southern Lord / Cargo). Gleich in den letzten Track rein: „Troubled Air“ – Leute, Leute…


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Aktuelle Beiträge

  • Kammerchor figure humaine mit kühl beglückender Schönheit
    Der in Stuttgart verwurzelte Kammerchor figure humaine hat in der Martinskirche Möhringen eine Werkschau des französischen Komponisten Philippe Mazé aufgenommen. Jürgen Hartmann hat sich die soeben veröffentlichte CD angehört.
  • Harbuschs Tipps des Monats
    Welche Konzerte sollte man in der zweiten Juni-Hälfte in Stuttgart besuchen? Ute Harbusch empfiehlt die Kombination Schlagzeug und Orgel, ein Jugendbarockorchester, einen Komponistinnentag und ein modernes Oratorium.
  • Wie war’s bei den „Beethoven-Gedanken“ der Stuttgarter Philharmoniker?
    Mit ungewöhnlichen Konzertformaten bespielen die Stuttgarter Philharmoniker gerne ihren Probensaal im Gustav-Siegle-Haus. Jetzt besuchte Ute Harbusch dort ein Konzert mit Lesung und erzählte Petra Heinze davon.
  • Das wunderwirkende Cannstatter Kulturmenü
    Ein Menü mit 30 Gängen will erst mal bewältigt sein. Unser beim Cannstatter Kulturmenü flanierender Korrespondent Holger Schneider hat nicht alles, aber vieles gekostet – danach fiel er ermattet aufs Sofa und war vollauf zufrieden. Hier ist seine Reportage.
  • Von dichten Klängen und offenen Knöpfen
    Eine Würdigung der finnischen Komponistin Kaija Saariaho war das Konzert des SWR-Symphonieorchesters in der Liederhalle mit Bas Wiegers am Dirigentenpult und der Geigerin Carolin Widmann (Bild) als Solistin. Jürgen Hartmann hat den Livestream gesehen und nur an Nebensachen etwas auszusetzen.