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Wie war’s beim Singalong in der Stadtkirche?

Lesezeit: 2 Minuten

Das singende „Publikum“ in der Stadtkirche, Foto: Redaktion

Die Dirigenten Jörg-Hannes Hahn und Rainer Homburg haben mit dem Bachchor Stuttgart und den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stadtkirche Bad Cannstatt Auszüge aus Bachs Weihnachtsoratorium als Singalong aufgeführt. Ute Harbusch war vor Ort und schildert im Gespräch mit Petra Heinze ihre Eindrücke.

Petra Heinze: Liebe Ute, wie ist das Konzert abgelaufen?

Ute Harbusch: Schon eine halbe Stunde vor Beginn tummelte sich eine dichte Menschenmenge am Eingang und in der Kirche. Der Andrang war offenbar weit größer als gedacht, die vorgesehenen 300 Programmzettel reichten nicht aus. Allmählich sortierte es sich: Die Bankreihen waren nach den Stimmgruppen beschriftet und voll besetzt. Auf der Empore verteilten sich überwiegend die Zuhörer, darunter ganze Familien mit Kindern. Ein kurzes Einsingen, und los ging‘s mit „Jauchzet, frohlocket“.

Petra Heinze: Und wie klang das?

Ute Harbusch: Sehr laut, erstaunlich gut. Die beiden Dirigenten wechselten sich nach jeweils ein paar Stücken ab, moderierten diese kurz an. So ging‘s im Wechsel aus Chorsätzen, Rezitativen, Arien und Chorälen im Schnelldurchlauf durch alle sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums. Orchester und Solisten, alles war da. Mein persönliches Highlight waren die Reprise-Sänger: Alle waren eingeladen, die in der Barockmusik unvermeidliche Wiederholung der Arien im Chor mitzusingen. Das Angebot wurde weidlich genutzt.

Petra Heinze: Wer ist denn zum Mitsingen erschienen?

Ute Harbusch: Mir gegenüber auf der Empore saßen zwei Mütter mit ihren Kindern, die Mütter sangen, die Kinder hörten zu. Unter den Sängerinnen und Sängern unten im Kirchenschiff habe ich mehrere Bekannte entdeckt, von denen ich wusste, dass sie Musik mögen. Eine wohnt in Kornwestheim. Es waren weit mehr Frauen als Männer, vom Altersdurchschnitt vielleicht Mitte fünfzig. Auch vom Erscheinungsbild sah es aus wie das übliche Hochkultur-Konzertpublikum, nur halt in Mänteln und mit Noten in der Hand.

Petra Heinze: Die Macher hatten in ihrer Konzertankündigung darum gebeten, die Noten mitzubringen. Sie wendeten sich also an geübte Chorsänger, die das in anderen Zusammenhängen einstudiert hatten. Keine Teilhabe für Ungeübte?

Ute Harbusch: Stimmt, eine kurze Abfrage von Rainer Homburg beim Warm-up ergab: Die überwiegende Mehrzahl der Mitwirkenden, unter die sich die Sängerinnen und Sänger des Bachchors gemischt hatten, hatten das Weihnachtsoratorium selbst schon mehrmals gesungen. So gab es welche, die die schnellen Koloraturen zum Beispiel in „Herrscher des Himmels“ auswendig mitsangen. Andere wurden spätestens hier aus der Bahn geworfen. Teilhabe fand aber im Wortsinn am Rand statt: Es gab immerhin eine Aufführung des Weihnachtsoratoriums ohne Eintrittsgeld zu hören. Einige Passanten aus der Fußgängerzone fanden sich am Rand des Kirchenschiffs ein und hörten zu. Und das war ganz klar nicht das übliche Hochkultur-Publikum.


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