Die Online-Kulturzeitung für Stuttgart und Umgebung


„Ich wollte auf die Musik reagieren“

Laurenz Theinert an seinem Visual Piano mit Raumprojektion, Foto: Josh von Staudach

Auch in der Klassischen Musik hat man sich an Videos gewöhnt, die Konzerten eine bildliche Dimension hinzufügen. Nun zieht ein Medienkünstler mit persönlicher Teilnahme in unsere Kirchen und Konzerthallen ein: Laurenz Theinert hat ein Instrument entwickelt, mit dem er live zur Musik mit Licht spielen kann. Petra Heinze hat mit ihm gesprochen.

Petra Heinze: Lieber Herr Theinert, Sie haben das Visual Piano erfunden. Wie kam es dazu?

Laurenz Theinert: Bei der Eröffnung des Literaturhauses Stuttgart im Jahr 2001 zeigte ich meine Videos und Musiker:innen improvisierten dazu. Da wollte ich meinerseits gerne auf die Musik reagieren. Hierzu habe ich dann 2003 ein Musical Instrument Digital Interface (MIDI)-Keyboard über eine Software und Laptop mit Projektoren verbunden, um in Echtzeit abstrakte Muster aus Licht zu erzeugen. Zunächst habe ich zwei Jahre geübt, mit dem neuartigen Instrument zu spielen, bevor ich 2004 erstmals damit auftrat. 2008 kamen dann die 360 Grad-Raumprojektionen dazu – raumfüllende Bildkonzerte, ausgehend vom Environment-Gedanken.

Petra Heinze: Sie haben jüngst zu einer Kammerversion von Mozarts Requiem die Stuttgarter Matthäuskirche mit Lichtkunst erfüllt. Ist das ein Parallelkunstwerk oder sind dort Musik und Licht aufeinander bezogen?

Laurenz Theinert: Ich versuche spontan umzusetzen, was ich durch die Musik empfinde. Das geht am besten im Dialog mit einer einzelnen Musiker:in, da man da einfach gemeinsam improvisieren kann. Bei einer so komplexen Struktur wie dem Requiem gibt es ein Storyboard (Bild unten) mit definierten Themen, innerhalb derer ich dann improvisiere.

Petra Heinze: Besteht da nicht die Gefahr der Beliebigkeit?

Laurenz Theinert: Die Gefahr gibt es, so wie in der Musik auch. Meine Idealvorstellung wäre eine gemeinsame Komposition aus Klang und Licht, die jeweils für sich alleine nicht bestehen kann.  Ein künstlerischer Raum zwischen den Sinnen soll entstehen. Es ist spannender, wenn die Dinge auseinanderzufallen drohen. Mit Schweizer Künstler:innen arbeite ich gerade an einem solchen Projekt.

Petra Heinze: Wie kann das gehen?

Laurenz Theinert: Die Schwierigkeit ist, dass nicht das eine die Illustration für das andere abgibt. Das geht beispielsweise mit Sequenzen, die nur Licht oder nur Klang enthalten. Das Requiem startete in völliger Dunkelheit, erst nach 40 Sekunden kam Licht hinzu.

Petra Heinze: Und was kommt als nächstes?

Laurenz Theinert: Am 21. Juli spiele ich mit dem Cellisten und Experimentalkünstler Fried Dähn in der Galerie Abtart.

http://www.laurenztheinert.de


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Aktuelle Beiträge

  • Busoni, der unerhörte Europäer
    Wegen des Männerchors ins Konzert, enttäuscht wegen dessen allzu kurzen Auftritts – aber unverhofft überwältigt und begeistert von Ferruccio Busonis Klavierkonzert. So erging es unserem Rezensenten Holger Schneider im Konzert des SWR-Symphonieorchesters.
  • Das Frühlingsrätsel: Wer schrieb das?
    „Del hielo libera a corrientes y arroyos la preciosa y vivificante mirada de la primavera. En la laguna se enverdece la suerte de la esperanza.
  • Wie war’s bei figure humaine in der Liederhalle?
    Der Kammerchor figure humaine feiert mit seinem Frühlingskonzert das Fauré-Jahr. Dirigent Denis Rouger hat ein französisch-deutsches Programm zusammengestellt, Ute Harbusch hat zugehört und berichtet Petra Heinze davon.
  • Das Publikum aus der Komfortzone holen
    Eine ungewöhnliche Mischung aus Originalwerken, Bearbeitungen und Improvisationen steuert die Dommusik St. Eberhard zur Bachwoche Stuttgart bei, geleitet von Domkapellmeisterin Lydia Schimmer. Jürgen Hartmann sprach mit ihr.
  • Klangräumlich kakophonisch komplettüberfordert
    Die „Hörspielnacht unterwegs“ sollte laut der Staatsoper Stuttgart das Warten auf die Uraufführung von „Dora“ versüßen – einer Oper von Bernhard Lang auf Texte von Frank Witzel. Solche gab es als Hörspiel im Bus – Holger Schneider hat sich hineingequetscht.