Foto: Podium Esslingen
Steven Walter ist für das Schaffen innovativer Konzerterlebnisse bekannt. Jürgen Hartmann hat den erfolgreichen Musiker und Kulturmanager portraitiert.
Der 1986 geborene Cellist Steven Walter, der das Kammermusikfestival Podium Esslingen 2009 gemeinsam mit Minh Schumacher gründete und bis heute künstlerisch leitet, argumentiert ebenso einleuchtend wie erfrischend aus Musikerperspektive heraus: „Ich habe es als unlogisch und künstlerisch problematisch empfunden, dass die Vielfalt der Musikszene in nur eine Form gegossen wird“, sagt Walter, „in die frontale Präsentation der Werke vor andächtig lauschendem Publikum“.
Die inzwischen oftmals verwirklichte Idee, nur den Rahmen auszutauschen und eine im Grunde traditionelle Konzertsituation in ungewöhnliche Lokalitäten zu verlagern, geht Walter und seinen Esslinger Team eindeutig nicht weit genug: „Musik ist kontextabhängig und misst sich am ästhetischen Erlebnis“. Über solche Schlagworte jenseits wohlgefälligen Marketings darf man ruhig länger nachdenken. Besagte Musikerperspektive jedenfalls trägt gewiss einen Gutteil bei zu der Authentizität und Ernsthaftigkeit, die man bei Steven Walter spürt. Hier geht es offenbar um mehr als um die Suche nach neuem Publikum, auch wenn der Podium-Macher die sozialen Entwicklungen, die eine „Fragmentierung der Gesellschaft“ zur Folge hätten, durchaus im Blick hat: „Prägend für die aktuelle Situation ist vor allem, dass der Konzertbetrieb seinen früheren Zweck als Grundversorgung eingebüßt hat, nachdem jede Art von Musik überall und immer via Internet verfügbar ist. Dass wir Bachs Johannespassion oder Puccinis ‚Bohème‘ in der Originalgestalt quasi auf Knopfdruck hören können, ebnet den Weg zum kreativen Umgang mit solchen Standardwerken“.
Die Passion nur mit Tenor, die Oper ganz ohne Stimmen, das wurde in Esslingen 2019 ausprobiert. In diesem Jahr sollen sich anhand von Monteverdis „Marienvesper“ kirchliche Rituale mit zeitgenössischen Kontrapunkten reiben und Beethovens Neunte einer „Re-Komposition“ unterzogen werden.
Laut gängiger Klassifizierung ist Steven Walter ein Angehöriger der „Generation Y“, der, so liest man, die Freude an ihrer Arbeit wichtiger ist als Status und Prestige. Dass innerhalb klarer Ansagen und reflektierter Argumentation im Gespräch hin und wieder ein sympathischer Restbestand an Naivität durchscheint, würde das bestätigen. Von Technologie und Digitalisierung jedenfalls spricht Walter auffällig wenig. Er versteht sie offenbar als Hilfsmittel zur Umsetzung und Verbreitung innovativer Konzepte, aber nicht als Illustration oder bewusst gesetztes Zeichen für Modernität. Wichtiger ist, dass das Publikum der Musik auch mal liegend zuhören kann, oder trinkend, sagt Walter: „Oft haben profane Dinge eine große Wirkung auf die Kunst“.
Das Festival Podium Esslingen war vom 29. April bis 9. Mai 2020 geplant und ist nun verschoben, voraussichtlich auf den Herbst. Aktuelle Informationen sind unter www.podium-esslingen.de abrufbar.
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