Petra Heinze studierte mal im früheren Westberlin. Nach dreißig Jahren in Baden-Württemberg lebt sie heute erneut in Berlin. Das ist jetzt ein riesiger Moloch mitten im Osten der Republik. Diesen Osten lernt sie nun kennen und lieben.
Potsdam ist eine Stadt mit so vielen Anziehungspunkten, dass man sich darin verlieren kann. Mich zieht es dort seit letztem Jahr vor allem ins Minsk. Zu DDR-Zeiten war das ein schickes Terrassenrestaurant. 1977 wurde es als belarussische Folkloregaststätte unter Mitwirkung von Minsker Künstler:innen und Architekt:innen fertig gebaut. Man feierte dort seine Jugendweihe und andere wichtige Dinge. Architektonisch ein spätes Meisterwerk der klassischen Moderne (ja, die gibt es auch im Osten!), wurde das Gebäude von dem Unternehmer Hasso Plattner saniert und letztes Jahr als Kunsthaus neu eröffnet. Gezeigt wird Kunst aus der ehemaligen DDR, die Plattner sammelt, ergänzt von Positionen zeitgenössischer Künstler:innen auf die DDR-Geschichte.
In der aktuellen Ausstellung bilden Werke des 1980 geborenen Bildhauers Wilhelm Klotzek aus Berlin-Mitte diesen Kontrapunkt. Sind die gezeigten Bilder aus der Zeit der SED-Diktatur in ihrer Vielfalt der Malstile meist ernst und auch ein wenig düster, so erfreuen Klotzeks Exponate mit einem humoresken und dabei liebevollen Blick auf die DDR-Geschichte. Schon alleine seine Videoinstallation „Das architektonische Trio“ von 2016 (Bild) ist die Reise nach Potsdam wert gewesen. Und das an einem sehr heißen Sommertag, der im Kopf nur Watte übrig lässt…
Der Künstler erscheint auf drei Monitoren in verschiedenen Rollen: Trotzdem im Gesicht eher zugewachsen, mimt er Frau Dr. Gisela Greifswald vom Bund der vertriebenen und flüchtigen Architekturen als treibende Kraft des Geschehens. Hinzu kommen Prof. Dr. Gordon Smithons vom South Carolina Research Institute, der sich vor allem über die Steinlaus verbreitet und der Diskussion vielleicht nicht ganz folgen kann, sowie der Moderator, der das Gespräch professionell im Gange hält. Dr. Greifswald schlägt unter anderem vor, das im ehemaligen Westberlin gelegene Charlottenburger Schloss zu sprengen und dort den Palast der Republik wieder aufzubauen. Man erinnere sich: 1950 wurde das im zweiten Weltkrieg zerstörte Berliner Stadtschloss gesprengt und durch den Palast der Republik ersetzt. Dieser wurde nach der Wiedervereinigung 2003 abgerissen und mit der nachgebauten Fassade des Stadtschlosses 2020 als Humboldtforum wiedereröffnet.
Dr. Greifswald will noch mehr: Das Brandenburger Tor, einst als Mahnmal der deutschen Teilung im Sperrbereich der Berliner Mauer nicht zugänglich, gilt heute als Symbol der Wiedervereinigung. Sie schlägt vor, dieses zu zerschlagen und als antikes Trümmerfeld zum Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt zu machen, mit Anklängen an das Forum Romanum oder die Agora in Athen. Dieser spielerische Blick auf den Gebrauch (beziehungsweise Missbrauch) von Bauten als politische Wahrzeichen provoziert bei mir neues Nachdenken über den kalten Krieg, der in den Köpfen vieler Menschen in Ost und West sicher immer noch ausgefochten wird…
Falls sich an diese Erlebnisse unter den Besucher:innen Diskussionen anbahnen, steht dafür das Terrassencafé des Minsk zur Verfügung. Es bietet einen schönen Blick auf Potsdam Mitte und es gibt dort so wunderbar altmodische Dinge wie Kalten Hund. In diesen heißen Tagen durfte man auch vor dem Kunsthaus in Liegestühlen lagern und wurde dort von einem transportablen Wägelchen mit Eis und kalten Getränken versorgt.
Foto: Ladislav Zajac
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