Stefania Neonato spielt im Konzert Beethoven auswendig. Foto: David Fontanari
Das Fortepiano oder auch Hammerklavier hört man im heutigen Konzertleben nicht allzu oft. Ute Harbusch und Petra Heinze haben deshalb umso neugieriger das Abschlusskonzert des Fortepiano Festivals im Kammermusiksaal der Stuttgarter Musikhochschule mit der italienischen Pianistin Stefania Neonato besucht, die dort eine Professur für Hammerklavier innehat.
Petra Heinze: Liebe Ute, schon das Eintreten in den Kammermusiksaal war aufregend: Auf der Bühne standen gleich zwei historische Tasteninstrumente …
Ute Harbusch: Ja, rechts ein Wiener Flügel, links ein englisches Tafelklavier. Stefania Neonato hat nach dem ersten Stück, Beethovens Sonate C-Dur op. 2 Nr. 3, beide Instrumente kurz vorgestellt. Der Flügel mit bildhübscher Holzmaserung war der Nachbau eines Fortepianos von Anton Walter aus dem Jahr 1785. Seine Erbauerin Monika May war auch zugegen. Das englische Instrument stammte von William Stodart aus London, original aus den 1830er Jahren. Es gehört zur persönlichen Sammlung der Pianistin und stand frontal zum Publikum, so dass man während des Spiels sehen konnte wie die Dämpfung sich hob und senkte.
Petra Heinze: Also ist es nicht nur wichtig, ein Instrument zu spielen, das aus der Zeit der Komposition stammt, sondern auch aus dem richtigen Land? Auf dem Tafelklavier spielte Stefania Neonato die Sonate C-Dur Hob. XVI:50 des englisch beeinflussten Joseph Haydn.
Ute Harbusch: Haydns Londoner Klaviersonate war wirklich von der Begegnung mit den kräftigen, durchschlagsstarken englischen Klavieren beeinflusst, die übrigens auch Beethoven schätzte. Ich kann mir vorstellen, dass Hammerklavierexperten hier eine große Freude haben, bestimmte Qualitäten eines Stückes auf bestimmten Instrumenten besonders zur Geltung zu bringen. Ich fand es schon aufregend genug, die Vielzahl an Klangfarben und Klangeffekten wahrzunehmen, die beide Instrumente hergaben, im Gegensatz zu den heutigen Konzertflügeln, die vom tiefen bis ins hohe Register einen möglichst einheitlichen Klang anstreben. Das englische Originalinstrument gefiel mir ausgezeichnet. Obwohl „nur“ ein Tafelklavier, also mit eher kurzen Saiten ausgestattet, konnte es doch den Kammermusiksaal klanglich wunderbar füllen. In einem größeren Saal mit 1000 oder 2000 Plätzen wäre solch ein Instrument freilich verloren.
Petra Heinze: Hattest Du denn das Gefühl, die Kompositionen besser zu verstehen als bisher?
Ute Harbusch: Ich konnte sie deutlicher erleben, auf sinnliche Art und Weise wurde die Struktur der Musik besser hörbar. Die von Beethoven immer gern ausgereizten Kontraste von extrem tiefen und extrem hohen Tönen sind eben nicht nur Kontraste von tief und hoch, sondern gleichzeitig Kontraste von zwei Klangfarben: grummelnd, volltönend, dunkel kontrastiert mit hell, glitzernd, brillant. Faszinierend war der Gebrauch des open pedal, der aufgehobenen Dämpfung. So ergaben sich richtiggehend impressionistische Klangwirkungen, ein Perlen, Irisieren, Verschwimmen, wie bei Ravel oder Debussy. Und selbst die endlosen Schlussakkorde von Beethoven, wie zum Beispiel am Schluss der Waldsteinsonate, die als drittes Stück gespielt wurde, hatten auf einmal Sinn, nicht nur architektonisch, sondern klanglich: Jeder neue Akkord ein neuer Impuls inmitten eines sich immer weiter ausbreitenden Akkordsees. Das fand ich faszinierend.
Petra Heinze: Wie gefiel Dir das Programm im Zeichen von Widmungen?
Ute Harbusch: Trug damals nicht praktisch jedes Stück eine Widmung? Haydn widmete seine Sonate der Londoner Starpianistin Therese Jansen-Bartolozzi, Beethoven sein Opus 2 seinem ehemaligen Lehrer Haydn, von dem er sicher nicht nur begeistert war, und sein Opus 53 seinem ehemaligen Gönner, dem Grafen Waldstein, mit dem er zu der Zeit keine Verbindung mehr hatte. Hierüber hätte vielleicht ein eigener Vortrag oder eine Einführung mehr sagen können.
Petra Heinze: Und wie beurteilst Du das Musizieren?
Ute Harbusch: Der Vortrag war con brio, mit schnellen Tempi, sehr virtuos. Aber da die Tastatur offenbar leichtgängiger ist als bei heutigen Instrumenten, schien es mehr ein Spiel als ein Kampf zu sein. Mehr noch als die Virtuosität hat mich die differenzierte Agogik für die Interpretation eingenommen. Frau Neonato, die beide Beethoven-Sonaten auswendig spielte, hat Details plastisch gestaltet und bei Haydn einen Humor, eine Spielfreude freigelegt, die von Konzertdramaturgen immer behauptet wird: Hier habe ich sie gehört.
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